RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

12.
Juli
2010

Es wird dünn für die Homöopathie

Geschrieben von Michael Hohner am 12. Juli 2010, 19:52:43 Uhr:

Die Luft wird langsam dünner für die Homöopathie in Deutschland. Nach England hat man auch hierzulande erkannt, dass Homöopathie reine Placebomedizin ist, und dass es den Gesundheitsversicherten kaum zuzumuten ist, dafür weiter Geld zu verschwenden. Angesichts drohender oder beschlossener Beitragserhöhungen und beschlossenen Zusatzbeiträgen wird immer intensiver nach Einsparmöglichkeiten gesucht. Die Begrenzung der Ausgaben für Medikamente wurde nur halbherzig angegangen und ist wieder mal im Sande verlaufen. Diese Koalition hat kein Durchsetzungsvermögen gegenüber der Lobby der Anbieter. Eine andere Möglichkeit ist, unwirksame oder unwirtschaftliche Mittel und Verfahren aus dem Leistungskatalog zu streichen. Dazu wurde extra das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gegründet. Dieses untersucht Verfahren und Medikamente genauer auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, und dann kann eine Empfehlung ausgesprochen werden, dieses Verfahren oder Medikament aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen zu streichen.

Jürgen Windeler, künftiger Leiter des IQWiG, wird da deutlich:

Die Homöopathie ist ein spekulatives, widerlegtes Konzept. Bis heute ist nicht erwiesen, dass die Methode einen medizinischen Nutzen hat. Dazu muss man auch gar nicht mehr weiterforschen, die Sache ist erledigt. Homöopathische Mittel werden so stark verdünnt, dass die Wirkstoffe kaum nachweisbar sind.

(Ich darf leicht korrigieren: Mit Hahnemanns Standardverdünnung von 30C sind Wirkstoffe gar nicht mehr nachweisbar.)

In Bezug auf die Homöopathie ergibt sich hier aber ein Problem: Bereits jetzt ist diese Art der Placebomedizin keine Pflichtleistung. Homöopathische Präparate werden von den gesetzlichen Kassen nicht bezahlt. Eine Beratung beim Homöopathen wird nur begrenzt und aufgrund von Sonderverträgen zwischen einzelnen Kassen und den Anbietern erstattet. Insofern gibt es bei der Homöopathie nichts zu streichen.

Die Kritik von Gesundheitspolitikern wie Karl Lauterbach ist dennoch berechtigt: Ohne Wirksamkeitsnachweis ist Homöopathie reine Geldverschwendung. Zudem erweckt die Unterstützung der Homöopathie durch viele Kassen den Eindruck, die Homöopathie sei eine legitime medizinische Behandlung.

Die Frage ist, was dagegen getan werden kann. Ein Streichen der Pflichtleistung ist nicht möglich, da nicht vorhanden. So sieht Lauterbach nur noch ein explizites Verbot der Erstattung. Ob dies der richtige Weg ist?

Andererseits ist nicht zu erwarten, dass die Kassen von selbst diese Einsparmöglichkeit wahrnehmen. Sie richten sich eher nach der Nachfrage der Versicherten und der Anbieterlobby, und mit Beitragserhöhungen, Zusatzbeiträgen und notfalls dem Ausgleichen von Defiziten durch den Steuerzahler im Rücken ist der Druck zur Wirtschaftlichkeit begrenzt.

Es bleibt die Hoffnung, dass durch weitere Aufklärung der Versicherten, auch durch öffentliche Diskussionen wie die aktuelle, die Nachfrage für Placebomedizin nachlässt. Ebenso sollten die aufgeklärten Versicherten ggf. ihre Versicherung fragen, wie ständig steigende Beiträge einerseits und Unterstützung von nachweislich wirkungslosen Verfahren andererseits zusammenpassen.

Wenn ich mir aber die aktuellen Reaktionen auf Lauterbachs Beitrag anschaue, dann schwindet mir die Hoffnung. So ist von Renate Künast folgendes zu hören:

Die pauschale Kritik an der Homöopathie verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt.

Nein, Frau Künast, Homöopathie ist nicht Synthetisierung von in der Natur vorkommenden Wirkstoffen. Wie so viele andere in der Bevölkerung verwechselt sie Homöopathie mit irgendeiner Art Kräutermedizin. Vielleicht sollten sich die Grünen mal ein paar Fachleute in die Parteizentrale kommen lassen, die dann minimalstes Grundwissen vermitteln.

Claudia Roth dagegen versucht erst gar nicht, Fachwissen vorzutäuschen. Sie erfreut uns mit folgendem Non Sequitur:

… Verbot würde gerade Patienten treffen, die auf gesunde Lebensführung achten

Dass selbst komplette Kompetenzfreiheit kein Hindernis ist, bei diesem Thema mitzudiskutieren, beweist Martina Bunge von den Linken (bei n-tv „Expertin” genannt):

auch ganzheitliche Ansätze seien nötig

Ah, natürlich, wie konnte ich nur die Ganzheitlichkeit vergessen!

Die CDU/CSU ist sich nicht einig, ob man die Erstattung der Homöopathie als Wettbewerbselement bestehen lassen soll (warum dann nicht auch die Erstattung von schamanischen Heiltänzen als Wettbewerbselement einführen?), oder ob man sie wieder abschaffen soll, um der Opposition eines an den Karren zu fahren (denn die hat ja seinerzeit die Wahltarife eingeführt). Dass bei vielen Kassen die Homöopathie bereits im Grundtarif ersetzt wird, dass also eine Abwahl in diesen Fällen gar nicht möglich ist, wird geflissentlich übersehen.

Die Kassen bringen, wie nicht anders zu erwarten, das Popularitätsargument.

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte, versucht, uns Wiederholungen von Behauptungen als Nachweise unterzuschieben:

… dass die Homöopathie in der Praxis effektiv und kostengünstig ist

OK, liebe Homöopathen, wo sind denn dann die Studien, Metaanalysen, usw. die diese Effektivität schlüssig nachweisen? Denn eine wirkungslose Behandlung kann per Definition nie kostengünstig sein.

Warum wurde das IQWiG 2004 installiert, wenn dessen Empfehlungen jetzt weitgehend ignoriert werden? Dort befindet sich die Fachkompetenz, und offensichtlich nicht bei den Meinungsführern der Parteien.

Warum wird reihum so diskutiert, als ob eine wertvolle Leistung gestrichen werden soll? Lauterbachs Begründung für dessen Vorstoß ist an den meisten Diskutierenden wohl vorbeigegangen.