RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

25.
September
2010

Gerhard Klügl: Weltenmensch, Aurachirurg

Geschrieben von Michael Hohner am 25. September 2010, 14:49:01 Uhr:

Gerhard Klügl bei der „Diagnose”

Kürzlich bin ich endlich dazugekommen, mir den Film „Ich bin ein Weltenmensch” anzuschauen, der am 28.6.2010 auf 3SAT gezeigt wurde. Diese Dokumentation von Giselle J. Camenisch zeigt die Arbeit von Gerhard Klügl, der als Aurachirurg praktiziert.

Was ist ein Aurachirurg? Im Gegensatz zu echten Chirurgen operieren diese nicht an erkrankten Organen, sondern an der Aura, also an dem mysteriösen, nie nachgewiesenen Energiefeld um den Körper eines Menschen. Klügels Diagnose besteht im Wesentlichen darin, mit seinen Händen in der Luft um seine Patienten herumzufuchteln und dabei suggestive Fragen zu stellen. Danach operiert er, indem er mit Skalpellen und Lanzetten an anatomischen Modellen und Zeichnungen herumdeutet. Unfreiwillig komisch auch die Szene, als Klügl an einem Patienten den Hautschnitt durchführt – mit einem Laserpointer.

Hautschnitt mit Laserpointer

Was Klügl hier macht, ist nichts anderes als eine Kombination aus Cold Reading und Placebomedizin. Das Erstaunliche ist, dass Klügl selbst den Placeboeffekt als wahrscheinliche Erklärung für seine „Behandlungserfolge” angibt, dann aber sofort ohne weitere Begründung verwirft. Ihm ist offenbar nicht bewusst, dass sein besonders aufwändiger Hokuspokus und die typischen Symptome seiner Patienten (Schmerzen, Schwindel, usw.) geradezu eine Garantie für einen großen Placeboeffekt sind.

Heilen mit Gold

Stattdessen liefert er die klassischen Begründungen: Die Quantenphysik und Wassermythen („der Mensch besteht ja auch zu 70% aus Wasser”). Auch das Motto aller Quacksalber, „Wer heilt hat recht”, darf nicht fehlen. Eine weitere Perle: „Mit Gold kann man auch gut heilen. Gold kommt der Schwingung der Sonne am nächsten.”

Die Dokumentation fällt vor allem durch einen komplett fehlenden Kommentar auf. Nur die Übergänge zwischen den Abschnitten sind mit esoterischem Geschwurbel unterlegt. Es kommen zwar einige Patienten zu Wort, der längerfristige Behandlungserfolg wird jedoch nicht weiterverfolgt. Ebenso wird kein Wort zur nachgewiesenen Wirksamkeit von Klügls Behandlungen über den Placeboeffekt hinaus verloren. Diese Dokumentation ist ein nur leicht vehüllter Werbefilm für Klügl.

Man kann aber auch großzügig ignorieren, dass bisher eine Aura nie wissenschaftlich nachgewiesen wurde, sowie das gesamte Konzept der Energiemedizin unplausibel und unvereinbar mit etabliertem Wissen ist. Man kann dennoch die konkreten Fähigkeiten der Auramediziner überprüfen.

Emily Rosa hat dazu eine Studie angestellt, um eine Kernbehauptung der Auramediziner zu überprüfen. Die Grundidee: Wer angeblich die Aura eines Menschen manipulieren kann, muss zumindest in der Lage sein, die Aura zu erkennen. 21 Auramediziner ließen sich auf diese Fähigkeit hin testen. Sie steckten ihre Arme durch Löcher in einer Trennwand und sollten erkennen, ob Emily ihre eigene Hand auf der anderen Seite über die linke oder rechte Hand des Probanden hielt. Die Löcher in der Trennwand wurden durch Tücher sorgfältig abgedichtet, so dass selbst kleinste optische Hinweise die Probanden nicht erreichten und diese alleine auf ihre Fähigkeit der Auraerkennung angewiesen waren. Die zu testende Seite wurde per Münzwurf ausgewählt. Sollte die Fähigkeit tatsächlich bestehen, müsste die Erfolgsquote nahe bei 100% liegen. Rein zufällige Treffer ergäben eine Erfolgsquote um die 50%.

Das Ergebnis: Die Probanden konnten die richtige Seite nur zu 44% angeben (123 Treffer bei 280 Versuchen). Die Trefferquote lag also etwas unterhalb dessen, was man auch durch puren Zufall erwarten würde. Die selbsternannten Auramediziner konnten unter kontrollierten Bedingungen die postulierte Aura nicht erkennen.

Das Bemerkenswerte an dieser Studie ist weniger das Ergebnis (Auramedizin fällt unter kontrollierten Bedingungen praktisch immer durch). Das Bemerkenswerte ist, dass Emily Rosa, die den Studienaufbau entworfen und die Tests durchgeführt hat, zu diesem Zeitpunkt die 6. Klasse besucht hat.

Wie peinlich muss es sein, wenn jemandem eine Säule seines Berufs von einer 6-Klässlerin demontiert wird?