RatioBlog
7.
November
2010

Last Chance to See

Geschrieben von Michael Hohner am 7. November 2010, 10:11:49 Uhr:

Dies ist eigentlich die Besprechung von gleich zwei Büchern: „Last Chance to See” von Douglas Adams (mit Mark Carwardine) von 1990 und „Last Chance to See” von Mark Carwardine (mit Stephen Fry) von 2009.

Der Zoologe Mark Carwardine unternahm mit dem Science-Fiction-Autor Douglas Adams mehrere Reisen zu verschiedenen Orten, an denen man die letzten freilebenden Exemplare von bedrohten Arten noch bewundern konnte. So ging es z. B. nach Neuseeland zu den Kakapo, einer flugunfähigen Papageienart, die durch eingeschleppte Raubtiere und Ratten an den Rand der Ausrottung gebracht wurde und nur auf wenigen abgelegenen und säugetierfreien Inseln noch überleben konnte. Ein weiteres Ziel waren Komodo und weitere Inseln in Südostasien, wo die letzten Komodowarane noch zu finden sind.

So entstand eine sowohl humorige als auch ernste Mischung aus Reisebericht, Beschreibung von Land und Leuten, Bericht über die Bemühungen von ambitionierten Artenschützern und Freiwilligen, die jeweiligen Tiere noch zu retten, und Plädoyer für den Natur- und Artenschutz. Die Rollen waren klar verteilt: Carwardine legte die Ziele fest, steuerte das Fachwissen bei und stellte die Kontakte zu den Kollegen vor Ort her. Adams brachte seine Außensicht ein und konnte so sowohl den Ernst der Lage als auch das humorig-absurde der zuweilen skurrilen Tiere, Menschen und Situationen vermitteln. Er läuft zu Hochform auf, wenn er die besonderen Herausforderungen beschreibt, die der Versuch mit sich bringt, Tonaufnahmen im Wasser des Jangtse in China herzustellen.

20 Jahre später begibt sich Mark Carwardine wieder auf die Reise, diesmal begleitet von Stephen Fry und einem BBC-Filmteam. Sie wollen die bereits im ersten Buch beschriebenen Arten erneut aufsuchen und herausfinden, wie es diesen in der Zeit dazwischen ergangen ist. Bei zwei Arten kommen sie jedoch zu spät: Der Jangtse-Flussdelfin wurde 2002 zum letzten Mal nachweislich gesichtet. Das Nördliche Breitmaulnashorn ist wohl 2008 in der krisengeschüttelten Demokratischen Republik Kongo untergegangen.

Bei den restlichen Arten finden sie einen gemischten Erfolg vor. Bei ein paar ist die Anzahl der überlebenden Individuen dank der unermüdlichen Arbeit der Helfer gestiegen. Dafür steigt die Anzahl der bedrohten Arten im gleichen Lebensraum insgesamt weiter an. Ganze Landstriche werden gerodet und durch z. B. Palmölplantagen ersetzt. Durch den massiven Lebensraumverlust sterben dutzende oder sogar hunderte Arten aus, bevor sie überhaupt der Wissenschaft bekannt sind. Andere Arten werden direkt vom Menschen bejagt und dienen dann nichtmal der Ernährung, sondern für idiotische Zwecke wie Haifischflossensuppe und Traditionelle Chinesische Medizin. Diese Arten sind in einem Teufelskreis gefangen, in dem eine stärkere Bejagung die Arten seltener werden lässt, dadurch der Preis steigt, und das wiederum die Bejagung noch attraktiver macht. Dieser Teufelkreis kann nur durchbrochen werden, wenn die Menschheit begreift, dass ein zerriebenes Nashorn oder ein getrockneter Tigerpenis eben nicht in der Lage ist, die Probleme eines Esoterikers mit zu viel Geld und zu wenig Potenz zu lösen.

Stilistisch orientiert sich das Nachfolgebuch stark am Vorgänger. Man könnte geradezu denken, der Geist von Douglas Adams sei in Mark Carwardine geschlüpft und ist der eigentliche Autor. Stephen Fry steuerte nur ein Vorwort bei, und natürlich seine Persönlichkeit bei den (für ihn nicht ganz ungefährlichen) Expeditionen. Der Bildanteil ist beim neuen Buch deutlich höher, und so ist man leider zu schnell bei der letzten Seite angekommen. Danach denkt man, wie beim Original, abwechselnd mit einem Schmunzeln und mit Sorgenfalten an das gerade Gelesene zurück.

Wertung:

Mark Carwardine Last Chance to See (gebunden, englisch) Harper Collins ISBN 978-0007290727 Amazon

Douglas Adams und Mark Carwardine Die Letzten ihrer Art: Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde (Taschenbuch, deutsch) Heyne Verlag ISBN 978-3453061156 Amazon