RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

7.
Juli
2016

Skeptisches Wörterbuch #1: Information

Geschrieben von Michael Hohner am 7. Juli 2016, 12:19:28 Uhr:

Der Begriff Information wird oft und gerne von Kreationisten und deren modernen Neuaufguss, den Vertretern des Intelligent Design, ge- und missbraucht. Eines deren Argumente gegen eine natürliche Evolution geht in etwa so:

Im Erbgut sind Informationen gespeichert. Die muss jemand hineingetan haben. Zufällige Mutationen können Informationen lediglich zerstören, aber keine neue Information erzeugen. Das kann nur eine Intelligenz.

Diese Behauptung kann man mit einem vereinfachten Beispiel überprüfen. Nehmen wir einmal an, unser Genom hat 10 Loci aus einem Alphabet aus 2 Symbolen[1]. Unser Beispielgenom vor einer Mutation sieht so aus:

Gen: 0000000000

Es mag überraschen (aber dann vielleicht auch nicht), aber dieses Gen hat einen Informationsgehalt von 0 bit (denn I ( Gen ) = 10 × ld 10 10 = 0 [2]). Eigentlich könnte man jetzt schon aufhören, denn jede denkbare Mutation könnte den Informationsgehalt nicht mehr verringern (weniger als 0 geht nicht). Aber nehmen wir trotzdem an, dass an einer Stelle im Genom eine Mutation passiert, z. B.

Mut: 0000100000

Wenn wir den Informationsgehalt dieses mutierten Genoms neu berechnen, dann ergibt sich I ( Mut ) = 9 × ld 9 10 + 1 × ld 1 10 4,69  bit . Der Informationsgehalt ist also eindeutig gestiegen.

Als weiteres Beispiel kann man eine Genduplizierung betrachten, etwas, das in der Natur ebenfalls vorkommt. Unser drittes Genom ist einfach das zweite Genom zweimal hintereinander:

Dup: 00001000000000100000

Der Informationsgehalt dieses Genoms ist I ( Dup ) = 18 × ld 18 20 + 2 × ld 2 20 9,37  bit . Wieder ist der Informationsgehalt gestiegen.

So einfach kann man zeigen, dass zwei in der Natur zu beobachtende Zufallsereignisse (Punktmutation, Genduplikation) durchaus den Informationsgehalt eines Genoms erhöhen können, etwas, das unmöglich sein soll.

Natürlich können Mutationen den Informationsgehalt auch reduzieren. Gäbe es ausschließlich Mutationen, würden sich die Erhöhungen und Reduzierungen des Informationsgehalts im Mittel ausgleichen. Aber es sind eben nicht nur rein zufällige Mutationen, die auf ein Genom wirken. Mutation ist lediglich ein Mechanismus, der für eine Variation im Genom einer Spezies sorgt. Welche Variationen sich in einer Population etablieren, ist das Ergebnis von Selektion und Vererbung, und die sind wiederum kein Zufall.

Irgendwann haben auch ein paar Kreationisten gemerkt, dass es so etwas wie eine Informationstheorie gibt, mit deren Informationsbegriff ihre Behauptungen nicht haltbar sind. Sie haben dann den Begriff der „spezifizierten Information” erfunden. Dieser soll ausdrücken, dass die Information mehr als nur der nicht-redundante Anteil am Genom sein soll, dass damit ein „Zweck” oder eine „Bedeutung” verknüpft sein soll. Der Begriff ist aber nicht wohldefiniert, diese Art von „Information” lässt sich nicht einmal quantifizieren. Sie setzt auch eine Absicht des „Spezifizierers” voraus, also etwas, dessen Existenz durch das Vorhandensein der Information erst belegt werden soll. So haben die Verfechter des Intelligent Design eine falsche Behauptung hinter sich gelassen und durch einen astreinen Zirkelschluss ersetzt.


In der Homöopathie und anderer Wasseresoterik (Wasser„belebung” u. ä.) wird ebenfalls gerne der Begriff der Information verwendet. In der Homöopathie sollen sich „Informationen” der Urtinktur bei der Verdünnung auf das Wasser übertragen, und bei der Wasserbelebung soll das Ergebnis „informiertes Wasser” sein (was auch immer das bedeuten mag; man lässt sich nicht zu konkreteren Aussagen hinreißen…).

Das Problem hier ist, dass Information zur Übertragung und Speicherung ein Medium braucht. Ist die Übertragung gestört, oder ist die Speicherung instabil, dann geht die Information verloren. Information ist nichts, was für sich alleine existieren kann. Leider ist Wasser völlig ungeeignet für die Speicherung von Information. Flüssiges Wasser geht so flüchtige Strukturen ein[3], dass nach wenigen Billionstel Sekunden jede möglichweise gespeicherte Information wieder im Rauschen verschwunden ist.


Information ist eine sehr abstrakte Eigenschaft von Materie. Sie sagt auch wenig darüber aus, wie diese Materie mit anderer Materie wechselwirkt. Insofern ist auch wenig sinnvoll, von „krankmachender Information” oder „heilender Information” zu sprechen, wie es bei mancher esoterisch angehauchten Pseudomedizin üblich ist. Nicht die möglichweise enthaltene Information heilt oder macht krank, sondern die physikalische und chemische Interaktion der Materie.
  1. Ein richtiges Genom hat natürlich Milliarden Loci aus einem Alphabet aus 4 Symbolen, aber so kann man einfacher rechnen.
  2. Das ist die Formel für den Informationsgehalt, unter der Annahme, dass die Stellen statistisch unabhängig voneinander sind. Bei einem echten Genom dürfte das nicht der Fall sein, was aber wieder im Prinzip keinen Unterschied macht.
  3. Ultrafast memory loss and energy redistribution in the hydrogen bond network of liquid H2O. M. L. Cowan, B. D. Bruner, N. Huse, J. R. Dwyer, B. Chugh, E. T. J. Nibbering, T. Elsaesser and R. J. D. Miller; Nature 434, 199-202 (10 March 2005); doi:10.1038/nature03383