Januar
2010
DRadio Wissen - Hirn braucht noch viel Arbeit
Geschrieben von Michael Hohner am 23. Januar 2010, 14:02:16 Uhr:
Der Deutschlandfunk hat am Montag ein drittes Radioprogramm gestartet, DRadio Wissen. Der Name machte erstmal Hoffnung, vielleicht eine Variante der Sendung „Forschung aktuell”, die bereits vom Deutschlandfunk produziert wird. Mit einem weiter gefassten Themenrahmen, tiefergehender Recherche, längeren Interviews und Hintergrundberichten könnte man diese eine Sendung zu einem kompletten Programm erweitern. Und, Junge, was für eine Enttäuschung.
Gleich am ersten Tag hat sich der Sender nicht einen Tritt ins Fettnäpfchen geleistet, nein, man hat sich ein Schwimmbecken mit Fett gesucht und einen Sprung vom 5-Meter-Brett gewagt. In der Sendung „Sterne lügen nicht” hat man sich ein Horoskop des Senders erstellen lassen. Kein beliebiges Horoskop, das man so im Kleingedruckten der Klatschpresse findet, sondern ein „richtiges” vom offiziell geprüften Astrologen Jan Reimer. Der hat dann einem hörbar begeisterten Redakteur zehn Minuten lang keinen Blödsinn vorgefaselt, sondern offiziell geprüften Blödsinn. Als es dann an der Zeit gewesen wäre für einen Sender mit dem Motto „Hirn braucht Arbeit”, die Astrologie kritisch zu hinterfragen, da war, hoppla, die Sendung zu Ende.
Kein Wunder, dass die Sendung prompt in den Kommentaren zerrissen wurde. Und wie reagierte man in der Sendung „Redaktionskonferenz” darauf? Man ging zum gleichen Fett-Schwimmbecken und stieg zum 10-Meter-Turm hoch, für einen zweiten Sprung. Ralf Müller-Schmid bezeichnete doch glatt Astrologie als Wissenschaft, keine Spur von Einsicht. Die seltsamen Begründungen lassen eher darauf schließen, dass Müller-Schmid nicht so genau weiß, was der Unterschied zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft eigentlich ist. Kein gutes Zeichen für einen Redaktionsleiter eines Wissenssenders.
Ich empfehle, die längere Diskussion des Themas auf Astrodicticum Simplex zu lesen.
Aber aller Anfang ist schwer, und ich wollte erstmal die weitere Entwicklung beobachten. Leider hat sich der anfängliche Ärger nur in Enttäuschung verwandelt. Das Problem einer Magazinsendung wie „Forschung aktuell” ist einfach die begrenzte Zeit. In nur 25 Minuten müssen eine Handvoll Themen untergebracht werden. Da bleibt es nicht aus, dass jedes einzelne im Grunde zu kurz kommt. Mit einem kompletten Sender mit (zur Zeit) 20 Stunden Sendezeit pro Tag hätte man da ganz andere Möglichkeiten. Eine aktuelle Meldung könnte man mit tiefergehenden Hintergrundinformationen versehen und sich von kompetenten Interviewpartnern erläutern lassen. Auch bei Themen aus einem weniger aktuellen Anlass würde die zur Verfügung stehende Zeit Raum für mehr Tiefe bieten.
Leider werden die Möglichkeiten nicht genutzt. DRadio Wissen ist Sklave seines starren Programmschemas. Der Tag ist in Häppchen von 15 Minuten aufgeteilt. In diesem Takt müssen allgemeine Nachrichten gesendet werden. Die Sendungen mit originärem Inhalt sind leider genauso ein Patchwork aus Nachrichtenschnipseln und Soundbites wie die Magazinsendungen der anderen Sender. Teilweise werden einzelne Beiträge 1:1 von „Forschung aktuell” übernommen. Die verfügbare Sendezeit wird durch etliche Wiederholungen und überlange Musikübergänge gefüllt. Nur am Wochenende wird dieser hektische Takt einigermaßen erträglich durchbrochen.
Mir scheint, dass DRadio Wissen seine Identität noch nicht gefunden hat. Wenn es nicht der 97te Nachrichtensender sein will, wozu dann tagesaktuelle Nachrichten im Viertelstundentakt? Kein Musiksender, wozu dann so viel Musik? Derzeit stellt sich DRadio Wissen leider nur als Infotainmentsender für Hörer mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne dar. Da ist noch viel Arbeit für Hirn nötig.