August
2012
ZDFzoom, Ihre Desinformationssendung im ZDF
Geschrieben von Michael Hohner am 15. August 2012, 08:30:42 Uhr:
Am 8. August lief im ZDF in der Reihe ZDFzoom der Beitrag „Giftiges Licht” (zur Zeit noch in der Mediathek). Darin wird thematisiert, dass zunehmend herkömmliche Glühbirnen aus dem Handel genommen und durch energiesparendere Lampen, insbesondere durch die Kompaktleuchtstoffröhren („Energiesparlampen”), ersetzt werden. Haupttenor: Diese Lampen enthalten Quecksilber, und das ist giftig, kann bei einem Defekt freigesetzt werden, und das gefährdet unser aller Gesundheit.
Diese Grundaussage ist hochgradig irreführend. Es ist zwar richtig, dass diese Lampen bis zu 5 mg Quecksilber enthalten dürfen (in der Regel aber deutlich weniger tatsächlich enthalten), und dass es austreten kann. Die andere Seite der Medaille wird jedoch völlig ignoriert. Zum Betrieb dieser Beleuchtung wird elektrische Energie benötigt, und die wird immer noch zu ca.80 % 60 % aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Nun sind Kohle, Erdöl und Erdgas jedoch nicht chemisch rein. Kohle enthält nicht nur Kohlenstoff, sondern in Spuren auch einen Mix aller möglichen Schwermetalle, darunter ebenfalls Quecksilber. Wenn in den Kraftwerken diese fossilen Energieträger verbrannt werden, dann werden diese Schwermetalle ebenfalls freigesetzt. Eine korrekte Betrachtungsweise wäre also gewesen, zu vergleichen, wieviel einer solchen Freisetzung im Kraftwerk eingespart werden kann durch den geringeren Verbrauch der Leuchtstoffröhren, und wieviel durch defekte Lampen freigesetzt werden. Diesen Vergleich kann jeder selbst durchführen. Die Schwermetallkonzentrationen in Steinkohle, Braunkohle, Erdgas und Erdöl sind bekannt[1], ebenso der Heizwert und die Anteile dieser Energieträger im deutschen Energiemix. Selbst wenn man den Maximalwert von 5 mg Quecksilber pro Lampe ansetzt und eher moderate Schwermetallanteile in den Brennstoffen, dann ergibt sich für die herkömmliche Glühlampe ein zwei- bis vierfacher Gesamtausstoß von Quecksilber, verglichen mit Kompaktleuchtstoffröhren. Mit realistischen Werten für den Quecksilbergehalt der Lampen wird die Bilanz für die Glühlampe noch schlechter. Die Energieerzeugung ist ein viel größerer Faktor im Quecksilberausstoß als das, was in den Lampen selbst enthalten ist. Die Freisetzung von anderen Schwermetallen wie Blei, Arsen, Cadmium oder Chrom aus den Brennstoffen ist hier noch nicht einmal berücksichtigt, und die Konzentrationen liegen dort um Größenordnungen höher!
Die zweite Irreführung ist, zu implizieren, dass ein Verzicht auf Leuchtstoffröhren den Verbrauch und die Freisetzung von Quecksilber insgesamt wesentlich reduzieren würde. Das weltweit abgebaute Quecksilber wandert nur zu einem winzigen Bruchteil in Leuchtstoffröhren. In Europa wird alleine für unsere Zahnfüllungen ein Zig-faches an Quecksilber verbraucht.
Im Film plädiert Chemiker Gary Zörner dafür, die Freisetzung von Quecksilber so weit wie möglich zu reduzieren. Gerade er hätte es eigentlich besser wissen müssen, dass auch und gerade die Kompaktleuchtstoffröhren genau das tun.
Auch der zweifelhafte „Experte” Joachim Mutter bekommt seinen Auftritt. Er ist bekannt dafür, auch in anderen Dingen eine Gefahr für die Menschheit zu sehen, z. B. im „Elektrosmog”, Amalgam und der Nanotechnologie. Mit seinen Ansichten geht er dann z. B. beim AZK hausieren, dem Kuriositätenkabinett aus Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern, UFO-Gläubigen, AIDS-Leugnern und ähnlich Abseitigen. In ZDFzoom darf er von einem Fall erzählen, bei dem ein Kind angeblich von einer defekten Energiesparlampe vergiftet wurde. Die aufgezählten Symptome wollen aber nicht so recht zu einer Quecksilbervergiftung passen, der Junge hatte vorher schon andere gesundheitliche Probleme, und selbstverständlich gibt Mutter keinen Hinweis darauf, dass eine Vergiftung tatsächlich direkt festgestellt wurde. Man hat nur sein Wort.
Zu allem Überfluss wird dann wieder einmal das Märchen vom Elektrosmog erzählt. Der Baubiologe Wolfgang Maes nennt die elektromagnetischen Felder der Energiesparlampen „biologisch riskant”, zählt als „mögliche” Auswirkungen Kopfschmerzen, hormonelle Störungen, zelluläre Störungen auf. Was genau diese Störungen sein sollen, das bleibt diffus. Die Felder der alten Glühbirnen seien dagegen geringer und damit „gesünder”.
Der Grund, warum die Aussagen so vage bleiben und mit reichlich Konjunktiven versehen werden, ist einfach: in kontrollierten Experimenten konnten spezifische körperliche Effekte von elektromagnetischer, nicht-ionisierender Strahlung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Auch nach eigenen Angaben „elektrosensitive” Versuchspersonen konnten nicht unterscheiden, ob ein Gerät elektromagnetische Wellen ausstrahlte oder nicht. Sie fühlten sich immer nur dann körperlich beeinträchtigt, wenn sie wussten, dass das Versuchsgerät eingeschaltet war. Umgekehrt konnte man die gleiche Beeinträchtigung erreichen, wenn man nur so tat, als ob die Versuchsanordnung Wellen aussandte, auch wenn das gar nicht der Fall war.[2] Die negativen Auswirkungen sind alleine durch den Noceboeffekt erklärbar, dem bösen Bruder des Placeboeffekts. Eine körperliche Wirkung von elektromagnetischer Strahlung, die langwelliger ist als UV-Licht und so minimale Feldstärken hat wie Lampen, gibt es schlicht nicht.
Es ärgern noch viele Kleinigkeiten: So wird bei drei beispielhaften Haushalten geprüft, wie denn die Energiesparlampen angenommen werden. Dabei kam man zu folgendem Ergebnis:
„Nur” 37% der Lampen sind Energiesparlampen. Hier soll wohl der Eindruck erweckt werden, dass diese Lampen gar nicht so beliebt sind. Man muss aber fragen, warum die Leuchtstoffröhren separat gezählt werden. Energiesparlampen sind Leuchtstoffröhren, nur in kompakterer Bauform. Sind in diesen Haushalten die Kompaktleuchtstoffröhren schon die relative Mehrheit, erreichen sie zusammen mit den nicht-kompakten Leuchtstoffröhren fast die absolute Mehrheit.
Auch die interviewten Hausbewohner machten den gleichen Denkfehler wie die Autorin: Wenn in den Leuchtstoffröhren Quecksilber enthalten sein soll, wie können die dann umweltfreundlich sein? An die Stromerzeugung haben auch sie nicht gedacht.
Auch Albernheiten wie das Fahren mit dem Auto zum Recyclinghof zum Entsorgen von Energiesparlampen werden nicht ausgelassen, inklusive Vorrechnen des Spritverbrauchs (der angeblich bei 0,8 Litern lag, was entweder eine riesige Entfernung voraussetzt oder deutlich zweistellige Verbrauchswerte, die der dargestellte Golf Plus sicher nicht aufweist). Niemand fährt wegen ein paar Lampen zum Recyclinghof. Entweder man entsorgt dabei noch andere Dinge, oder man kommt zufällig sowieso in der Nähe vorbei.
Auch dass die meisten Leuchtstoffröhren fälschlicherweise im Hausmüll landen statt im Recycling, ist zwar korrekt, aber sicher nicht den Leuchtstoffröhren anzulasten, sondern denjenigen, die jegliche Hinweise auf die korrekte Entsorgung ignorieren.
Am Ende der Sendung kommt zwar gerade noch so der Hinweis auf Lampen mit LED-Technik. Es fehlt aber die Erwähnung der im Energieverbrauch wenigstens nur zweitschlechtesten Option, der Halogenlampe. Diese ist nämlich weiterhin frei verkäuflich. Stattdessen darf man beobachten, wie Alexandra Pfeil gut gelaunt bei einem Händler vorbei schaut, der vorsorglich schonmal tausende Glühbirnen gehortet hat, wohl in froher Erwartung der zusätzlichen Kunden, die ihm diese Sendung einbringen könnten.
Es ist erschreckend, dass eine derartiger Beitrag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen stattfinden darf. Ganz offensichtlich stand die Schlussfolgerung der Sendung schon vorher fest: Energiesparlampen sind böse und werden uns alle vergiften. Jegliche Abwägung und Einordnung in den größeren Zusammenhang (Energieerzeugung, Anteil der Energiesparlampen am gesamten Quecksilberverbrauch) wurde konsequent vermieden. Der Beitrag wurde gezielt auf Skandalisierung und Panikmache getrimmt, und die Autorin ging Leuten wie Joachim Mutter und Wolfgang Maes kräftig auf den Leim. Journalistische Sorgfalt sieht anders aus.
Quecksilber wird immer mehr aus Alltagsprodukten entfernt, aus guten Gründen. Wer aber nach dieser Sendung glaubt, durch Rückkehr zur Glühbirne einen Beitrag dazu zu leisten, der wurde gewaltig getäuscht.
- z. B. Rentz, Martel: Analyse der Schwermetallströme in Steinkohlefeuerungen. Universität Karlsruhe
- z. B. Eltiti et. al.: Does Short-Term Exposure to Mobile Phone Base Station Signals Increase Symptoms in Individuals Who Report Sensitivity to Electromagnetic Fields? A Double-Blind Randomized Provocation Study. Environmental Health Perspectives 115 (11)