RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

1.
August
2011

Fehlschluss #15: Unbegründete Ausnahme

Geschrieben von Michael Hohner am 1. August 2011, 10:11:58 Uhr:

Der Fehlschluss der unbegründeten Ausnahme ist verwandt mit dem „Verschieben des Torpfostens” bzw. „Kein echter Schotte”. Es wird hier aber ein Gegenbeleg für eine These nicht stillschweigend ignoriert oder als nicht zur allgemeinen Gruppe zugehörig deklariert. Stattdessen wird eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel gemacht, z. B. von einem Erkenntnisprozess, ohne diese Ausnahme schlüssig zu begründen. Auf diese Weise wird dann jeglicher Gegenbeleg von Vorneherein für ungültig erklärt, wenn er aus dieser allgemeinen Regel erwächst.

Wie dieser Fehlschluss funktioniert, wird mit folgenden Beispielen deutlicher:

Eine Aura kann mit technischen Mitteln nicht gemessen werden. Das kann nur ein geübter Auraheiler. Deshalb funktioniert Auramedizin trotzdem.
Die feinstofflichen Wirkungen der Homöopathie können nicht in klinischen Studien getestet werden. Deshalb sind die negativen Ergebnisse dieser Studien bedeutungslos.
Andere Perpetuum Mobile funktionieren nicht, weil die Hauptsätze der Thermodynamik dagegen sprechen. Meine Maschine umgeht die Thermodynamik. Sie ist ein funktionierendes Perpetuum Mobile.
Alle Drogen sind potentiell gesundheitsschädlich und suchterzeugend. Sie sollten deshalb nicht allgemein zugänglich sein. Aber Alkohol und Nikotin sind anders. Deshalb sind sie legal.
Oder allgemeiner:
A ist allgemein ein B. Aber A ist auch (nebensächlich) C. Deshalb ist A kein B.

Nicht jede Ausnahme einer Regel ist sofort ein Fehlschluss. Sie ist es nur dann, wenn die Ausnahme unbegründet oder schlecht begründet ist. Wenn eine Regel viele Ausnahmen hat, dann ist das ein Zeichen dafür, dass sie ungenau definiert oder zu stark vereinfacht formuliert ist.