RatioBlog
Kritische Betrachtungen über Naturwissenschaften, Alternativmedizin, Alltagsmythen, Parawissenschaften und Wissenschaft in den Medien

2.
Juni
2012

Gründung der "Skeptiker Schweiz" - Interview mit Marko Kovic

Geschrieben von Michael Hohner am 2. Juni 2012, 09:30:56 Uhr:

Flyer (Klicken für größere Version)

Am 9. Juni 2012 wird sich in Zürich ein neuer Verein von kritischen Denkern gründen, die „Skeptiker Schweiz”. Aus diesem Anlass hat sich einer der Initiatoren, Marko Kovic, auch Betreiber des Skeptiker-Blog, bereits vorab ein paar kurzen Fragen gestellt, um ein paar Einblicke in die Motivation und die Hintergründe der Vereinsgründung zu erlauben.

Deshalb ohne weitere Verzögerung zum Interview:


Was war der konkrete Anlass, die „Skeptiker Schweiz” zu gründen? Füllt das eine vorhandene Lücke, oder welche anderen ähnlichen Organisationen gibt es bisher in der Schweiz?

Die Idee, einen Verein zu gründen, der sich kritischem Denken widmet, nahm am letztjährigen Denkfest in Zürich erste Formen an. Das Denkfest ist ein Skeptiker-Kongress, der unter dem Motto „Vier Tage Wissenschaft, kritisches Denken & intelligente Unterhaltung” letzten September eine illustre Ansammlung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und ganz allgemein skeptisch Engagierten nach Zürich holte. Ganz ähnlich, wie die Weltskeptikerkonferenz in Berlin, die kürzlich stattgefunden hat.

Es gibt in der Schweiz zwar Organisationen, die in eine ähnliche Richtung aktiv sind, etwa die Freidenker-Vereinigung der Schweiz, oder die Giordano Bruno Stiftung. Eine Gruppierung, die sich aber ganz konkret und exklusiv dem wissenschaftlichen Skeptizismus und kritischem Denken widmet, gibt es bisher, so viel ich weiß, noch nicht.

Bitte erzählen Sie den Lesern etwas über die Initiatoren und Hauptakteure, vor der eigentlichen Gründung.

Das Organisationskomitee von Skeptiker Schweiz besteht aus fünf Leuten aus dem Raum Zürich: Sara Fischer, Christian Burger, Marcel Küchler und ich sind eine bunte Mischung unterschiedlicher biographischer Hintergründe und Berufe, die durch unsere Leidenschaft für kritisches Denken zusammengefunden haben. Daneben gibt es natürlich noch eine ganze Reihe weiterer Personen, die uns mit Ideen unterstützen und motivieren, und die künftig auch aktiv im Verein mitwirken werden.

Gibt es Verbindungen zu anderen deutschsprachigen Vereinigungen, also z. B. zur GWUP in Deutschland oder zur Gesellschaft für kritisches Denken in Österreich?

Mit der GWUP waren wir von Anfang an in engem Kontakt; nicht zuletzt, weil wir uns auch überlegt haben, ob wir eine Art Schwesterverein der GWUP sein könnten, analog zur Gesellschaft für kritisches Denken in Österreich. Für den Moment haben wir aber entschieden, ein formal selbstständiger Verein zu sein, wobei wir aber nach wie vor den regen Austausch und die Zusammenarbeit mit der GWUP pflegen werden.

Der Grund, warum wir vorläufig selbstständig sind, ist ein Stück weit auch banal: „Skeptiker Schweiz” wird zu Beginn ein eher kleiner Verein, mit dem wir ein bisschen das Terrain abtasten wollen. Wir möchten nämlich zunächst ein bisschen den Weg des „trial and error” gehen und auf diese Art Erfahrungen sammeln, anstatt von Anfang an sehr große Projekte aufzusetzen, die vielleicht auf ganz unerwartete Probleme stoßen könnten.

Gibt es spezielle Schweizerische Themen, die im Fokus stehen? Wie sieht die Szene der Pseudowissenschaften etc. in der Schweiz aus? Was ist anders als z. B. in Deutschland und Österreich, und was ist ähnlich?

Obwohl wir uns hier in der Schweiz ganz gerne als „Sonderfall” sehen, wo alles ein bisschen anders läuft, ist im Grunde natürlich klar: Menschen sind überall Menschen. Damit meine ich, dass die Anfälligkeit für Aberglaube und Pseudowissenschaft in der Schweiz nicht grundsätzlich völlig anders ausfällt als anderswo. Zwar gibt es traditionelle Schweizer Mythen und esoterische Überlieferungen, z. B. die Geistheiler aus dem Appenzell, aber letztlich sind das spezifische Ausprägungen relativ oft anzutreffender allgemeiner Esoterik.

Ähnlich wie in Deutschland und Österreich sind bestimmte Formen der sogenannten „Alternativmedizin” in der Schweiz sehr beliebt, etwa Homöopathie, Anthroposophie oder „traditionelle” chinesische Medizin. Und auch ähnlich wie Deutschland und Österreich ist die Schweiz eine hoch entwickelte Dienstleistungsgesellschaft, in der Esoterik und Pseudowissenschaft bisweilen ähnlich wie z. B. Kosmetikprodukte und Wellness-Angebote als „Das gönne ich mir”-Freizeitbeschäftigung angesehen werden, und vielleicht ein Stück weit auch das Bedürfnis nach ein wenig Aufregung und Exotik im Alltag befriedigen.

Auch die Rolle der Migration dürfte in allen drei Ländern eine ähnliche sein: Ein verhältnismäßig hoher Anteil Eingewanderter aus aller Welt bedeutet, dass auch verschiedenste esoterische Lehren und Bräuche mitmigrieren.

Welche Themen stehen nicht im Fokus? Gibt es sogar Themen, die von den „Skeptikern Schweiz” ausdrücklich gemieden werden?

Tabus gibt es an sich keine – wo Zensur herrscht, wird auch kritisches Denken beschnitten. Aber wir halten uns an eine Art Codex, der sich aus dem kritischen Denken selber ergibt. Wenn wir etwa bestimmte Personen für ihr öffentliches Handeln kritisieren sollten, ist klar, dass wir diese Person nur in der Rolle, in welcher sie sich öffentlich präsentiert, kritisieren, und nicht als Privatperson.

Es gibt aber Themen, die für uns nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit liegen. Die vorher erwähnte Freidenker-Vereinigung etwa deckt das Thema des Säkularismus kompetent ab, sodass wir uns anderen, offeneren Themen stärker widmen. Und eine Frage, welche die Skeptikerbewegung im Allgemeinen, so also auch uns im Besonderen betrifft, ist, wie und in welchem Maße wir uns nicht nur Themen des Seins, also Fakten, sondern auch Themen des Sollens, also Normen, widmen sollen. Wird Letzteres zu prominent behandelt, ist die Gefahr vorhanden, dass man als politische Organisation wahrgenommen wird. Werden Probleme des Sollens aber ganz ignoriert, bleiben wertvolle Diskussionen aus, denn auch Normen können rational hinterfragt und kritisiert werden.

Wie wollen die „Skeptiker Schweiz” ihre Ziele erreichen? Sind öffentliche Versammlungen, Vorträge, Publikationen oder anderes geplant?

Ein bisschen von allem, und noch mehr. Eines unserer Ziele ist, mit unserer Webpräsenz eine Art skeptisches Informationsportal für die Schweiz aufzubauen, wo wir Informationen und weiterführende Literatur zu umstrittenen Heilverfahren, Lehren, Theorien und dergleichen bieten. Dabei werden wir schwerpunktmäßige „Dossiers” aufbauen, wo wir Themen, welche uns gesellschaftlich besonders relevant scheinen, vertieft behandeln.

Daneben wollen wir aber auch „offline” präsent sein. Eine der Möglichkeiten dazu sehen wir in öffentlichen Vorträgen und Podiumsdiskussionen zu Themen, bei denen eine skeptische Sichtweise wichtig ist. Damit möchten wir Leute ansprechen, die nicht Teil des Skeptikerbewegung sind. Das ist eines der Mittel, mit denen wir letztlich bezwecken, auch zu einem Bindeglied zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu werden.

Ein wichtiges Anliegen ist uns aber auch, Gemeinschaftssinn unter Skeptikerinnen und Skeptikern aufzubauen; sowohl innerhalb der Schweiz, also nach „innen”, als auch nach „außen”, d. h. international. Hier planen wir u. a., ein Vorgehen, welches sich bei vielen Skeptiker-Organisationen bestens bewährt hat, zu kopieren: Regelmäßige, heitere „Skeptics in the pub”-Treffen, an denen schnell klar wird, dass Skeptikerinnen und Skeptiker dem Klischee der griesgrämigen Zyniker eigentlich gar nicht entsprechen.


Ich danke Marko Kovic für das Interview, und ich wünsche den „Skeptikern Schweiz” viel Erfolg!